Endlichkeit

20. September 2024 | 0 Kommentare

Die Endlichkeit ist gesetzt – für jede und für jeden Einzelnen, für Staaten, für Gebäude aus Stahlbeton, für die Natur und für Arten, für alles Leben und schließlich für die Erde und den Kosmos. Die gesamte Schöpfung, so wie wir sie kennen, ist vergänglich. Die Zeit ebnet alles ein. Die brutalste Form der Endlichkeit ist der Tod. Das macht Angst. Die Menschen haben viele Strategien entwickelt, um die eigene Vergänglichkeit besser zu bewältigen. Hier einige Beispiele innerhalb von Welt und Zeit: 

Rausch: Manche Strategien zielen auf das Feiern des Augenblicks im Rausch und auf exzessiven Genuss. Was zählt ist das Jetzt. In der Antike gab es dafür sogar einen eigenen Gott: Dionysos, der gerne mit Weinkrügen und schönen Frauen dargestellt wird. Diese Strategie ist immer noch aktuell, auch wenn dabei keineswegs nur Wein zum Einsatz kommt. 

Tempo: Eine Variante davon ist eine entgrenzte Amüsier- und Erlebniskultur in unserer Zeit, bei der es um die permanente Steigerung der Erlebnisse und der Genüsse durch die Beschleunigung des Lebenstempos geht. Rastloses Reisen, alle möglichen Events, maximaler Spaß, mitnehmen was geht, und das in möglichst rascher Abfolge, denn wer schneller lebt, hat mehr vom Leben. Der Soziologe Hartmut Rosa erkennt darin die charakteristische Antwort unserer Zeit auf das Problem der Endlichkeit und des Todes. 

Gelassenheit: Dabei geht es um eher intellektuelle Strategien. Schon die Philosophenschule der Stoa empfiehlt maximale Gelassenheit gegenüber dem eigenen Tod. Was nicht zu ändern ist, muss man entspannt hinnehmen. Populär ist ein Satz, der auf Epikur zurückgeht: „Wenn der Tod nicht da ist, geht er mich nichts an, und wenn er da ist, bin ich nicht mehr.“ Heute finden manche auch Trost im Energieerhaltungssatz (nicht verloren), in der Reerdigung (als Erde zurück zur Natur) oder in der Vorstellung eines Weiterlebens in der Erinnerung von anderen.

Höchstleistung: Nutze die knappe Lebenszeit und gib alles. Nur die Leistung zählt. Diese Grundhaltung, die manchmal exzessive und suchtartige Züge annimmt, kann auf jedem Feld des Lebens wirksam werden, z.B. bei Arbeit, Sport, Musik und selbst bei aufopfernder Tätigkeit für andere. Das Bewusstsein der eigenen Endlichkeit ist dabei der eigentliche Trigger.    

Macht und Reichtum: Sein wie Gott,durch die Anhäufung von Status, Macht und Reichtum, findet man bei ägyptischen Pharaonen, römischen Kaisern und heute zum Beispiel bei russischen Oligarchen und bei allen, die ausschließlich im Anhäufungs- und Haben- Modus leben. 

Größtmögliche Kontinuität und Stabilität: Eine eher unspektakuläre Strategie zielt darauf, dem Leben eine feste und berechenbare Form zu geben. Wiederholung, Ritualisierung und harte Arbeit, oft ergänzt durch Modernisierungsskepsis und Veränderungsscheu, bilden dabei den Rahmen der Existenz. Alles zu seiner Zeit, und das im rechten Maß. Das beruhigt und mildert die Angst vor der Vergänglichkeit, denn die Welt fühlt sich dadurch im Wesentlichen gleich an. 

Vergangenheit aufbewahren: Die Strategie der Konservierung für die Nachwelt zielt auf das bewusste Bewahren und Erhalten des Alten. Die Vergangenheit soll verfügbar bleiben, die Vergänglichkeit dadurch abgemildert werden. Was bewahrt wird, ist nicht ganz verloren. Konservierung, Archivierung, Musealisierung, heute auch in Form des Arten-, Natur- und Denkmalschutzes, zielen darauf, große Werke der Menschheit und der Natur zu erhalten und aufzubewahren. Auch privat kann man das eigene Leben zu einem Museum machen. Alles wird dann dokumentiert und archiviert. 

Idealismus: Manche kompensieren die eigene Endlichkeit, indem sie sich bedingungslos in den Dienst einer Idee stellen. Sie sehen sich als Protagonisten eines höheren Sinnes und wollen die Welt aktiv verändern, notfalls auch mit Gewalt. Kommunistische Ideologien und weltverändernde Heilslehren aller Art zielen in diese Richtung. Wer einem Ideal dient, vergrößert sein Ich und fühlt sich nicht mehr ganz so klein und vergänglich.

0 Kommentare

Einen Kommentar abschicken