Vergänglichkeit

14. Oktober 2024 | 0 Kommentare

Im menschlichen Leben kommt die existenzielle Erfahrung der Vergänglichkeit unterschiedlich an. Manchmal enden die Dinge abrupt. Das gilt für jedes große Unglück, das unvermittelt ins Leben einbricht. Häufig erleben wir die Vergänglichkeit aber auch als schleichenden Prozess. Jugend, Gesundheit, Konzentrationskraft und Gedächtnis nehmen sinkflugartig ab, ein großes Glück verblasst, die ewige Liebe schmilzt, Erfolge verlieren ihre Bedeutung. Das alles soll, ja muss bewältigt werden. Man kann zwischen innerzeitlichen und transweltlichen Bewältigungsstrategien unterscheiden. Die wohl extremste Variante der innerzeitlichen Verfahren nenne ich die Strategie des „Homo deus“.

Was relativ harmlos mit Körperkult, Anti-Aging und Botox begann, hat längst eine andere Dimension erreicht. Medizin, Biologie und KI bieten neue Perspektiven für eine effektive Verlängerung des menschlichen Lebens. Manche träumen von der Unsterblichkeit und versuchen einen ganz neuen Menschen zu konstruieren, ein Hybridprodukt zwischen biologischem und technischem Wesen (Transhumanismus). Gentechnik und KI machen es möglich. Der Mensch wird dadurch immer mehr zum Schöpfer seiner 

Transweltliche Strategien zielen demgegenüber auf die Überwindung des Zeitlichen. Damit kommen die Religionen ins Spiel.     

Vertrauen und Hoffnung: „Meine Zeit steht in deinen Händen“ ist eine Haltung des Vertrauens. Das Christentum bietet auch die Hoffnung auf einen Seinszustand hinter der greifbaren Wirklichkeit und jenseits der Zeitlichkeit. Die Liebe Gottes zu den Menschen, die Auferstehung und das ewige Leben sind zentrale Bestandteile des christlichen Glaubens, der auf die radikale Überwindung dieser Welt und ihrer Endlichkeit zielt. Auch andere Religionen versprechen ein Leben jenseits von Welt und Zeit. 

Die Zeit überwinden und aus ihr aussteigen, durch Konzentration auf das Hier und Jetzt, etwa durch Meditation und Achtsamkeit, ist mit religiösen Strategien verwandt und steht manchmal in einer gewissen Nähe zum Buddhismus, der das Ende allen Leidens durch die Überwindung des Zeitlichen im Nirwana zum Ziel hat. Mit zunehmender Säkularisierung gewinnt diese Strategie an Attraktivität, auch weil sie keinen kirchlichen Rahmen benötigt.

Daneben gibt es viele Varianten und Vorstellungen eines Aufgehens im „Umgreifenden“, einer Verbundenheit mit dem Göttlichen über Zeit und Raum hinweg, manchmal auch mit den Ahnen oder eher naturreligiös in den „ewigen Jagdgründen“.  

Welcher Strategie folgen wir und wie gehen wir mit der Vergänglichkeit um: Mit kontrollierter Angst? Mit gelassener Akzeptanz? Verbittert, wütend und revoltierend? Fröhlich im Hier und Jetzt? Mit konsequentem Verdrängen? Mit Leistung und maximaler Effektivität im Leben? Vielleicht todessehnsüchtig? Neugierig auf das, was am Schluss noch kommen mag? Voller Vertrauen und Glauben gegen alle Realität? Oder doch vielleicht von allem ein bisschen? Letztlich muss jeder seine eigene Antwort auf die Vergänglichkeit finden.

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