Konsum

1. Juni 2025 | 0 Kommentare

Viele Bedürfnissen können wir nur durch den Konsum von Gütern und Dienstleistungen befriedigen. Konsum kostet Geld. Das setzt den eigenen Möglichkeiten Grenzen. Aber auch die Moral, und ihr folgend das persönliche Gewissen, können konsumbegrenzende Faktoren sein. Konsumkritik hat eine lange Tradition (z.B. „Konsumterror). Maßstäbe der Konsumkritik können sein:

  • was man in Wahrheit selbst nicht braucht (Überfluss ohne Sinn, „Haben ohne Sein“, Wegwerfmentalität, Protzbedürfnis, Gier),
  • was der eigenen Gesundheit und Selbsterhaltung schadet (z.B. Zucker, Alkohol, bestimmte Fette, riskante Sportarten),
  • was anderen schadet (nicht nur Menschen, sondern auch Tieren), 
  • dabei insbesondere: was unter unsozialen und unmenschlichen Arbeitsbedingungen hergestellt wurde (Ausbeutung, Kinderarbeit),
  • was Umwelt (z.B. Ressourcenverbrauch von Wasser, Energie, Landschaft) und Klima (Stichwort CO2 Bilanz) stark belastet.

Verbreitete Spaltungstendenzen innerhalb der Gesellschaft machen auch vor der Moral nicht Halt. Einige nehmen Anstoß an Fleischkonsum, ungezügeltem Reiseverhalten, Wegwerfmentalität, Umweltverbrauch, sozialer Ausbeutung in Produktion und Handel usw. Sie üben strengen Verzicht, konsumieren sehr bewusst und pflegen einen eher asketischen Lebensstil. Anderen ist das hingegen egal. Moralisch veranlasste Konsumbegrenzungen lehnen sie ab. Konsumiert wird alles, was Spaß macht, was rechtlich erlaubt ist und was man sich leisten kann. Rein rechtlich betrachtet sind sie damit auf der sicheren Seite. 

Wie so oft geht die Lebenswirklichkeit allerdings selten in einem strikten entweder (strenge asketische Moral des Verzichts) – oder (unkritischer maximalhedonistischer Konsum) auf. Die Lebens- und Gewissenspraxis liegt oft irgendwo dazwischen. Meistens geht es um einen mittleren Weg und um kompensatorische Deals mit sich selbst. Zum Beispiel: Ich benutze, wenn immer es möglich ist, das Fahrrad und ansonsten das E-Auto, gönne mir aber eine Urlaubsreise mit dem Flugzeug im Jahr. Ich achte normalerweise auf regionale- und auf fair trade-Produkte, aber bei Avocados und bei Kaffee mache ich eine Ausnahme. 

Die Beispiele machen zwei Dinge deutlich: 1. Aus verhaltenstechnischer Sicht sind die beiden Extreme von maximalem Verzicht und ungebremstem Konsum einfach. Hier gilt die Devise „ganz oder gar nicht“. Mir sind allerdings beide Extreme fremd. Wer meint, durch seinen Konsumverzicht die Welt retten zu können, überhebt sich. Umgekehrt verhindert die Ausschaltung von jeglichen moralischen Maßstäben beim Konsum Fortschritte bei der Verbesserung der Konsumlandschaft und ihrer Produktionsbedingungen. 2. Alle anderen Positionen zum persönlichen Konsum sind dagegen mehr oder weniger unreine Mischzustände, bei denen sich strenge Gewissensanteile und persönliche Konsumneigungen zu einem individuellen Kompromiss vermengen. Darüber, ob diese mittlere Konsequenz auch gut ist, kann man dann wunderbar streiten. Die alleine richtige Mischung gibt es jedenfalls nicht. Im wirklichen Leben ist jeder tatsächlich seinem eigenen Gewissen ausgeliefert. Dabei gibt es manchmal die Tendenz, Konsumverzicht religiös zu überhöhen. Ich meine: Wie streng der persönliche Kompromiss letztlich auch ausfallen mag, Konsumkritik und Konsumverzicht sind kein Religionsersatz. 

Immerhin lassen sich bei den moralischen Maßstäben der Konsumkritik Unterschiede herausarbeiten. Konsumgüter, die anderen schaden, haben eine andere Qualität als Konsumgüter, die in erster Linie nur mir selbst Schaden zufügen. Auch Maßstäbe wie der Respekt vor dem Leben oder die Bewahrung der Schöpfung können gewissenssteuernde Wirkungen entfalten. Recht eindeutig liegt die Schadensbilanz auch bei Massenkonsum und Wegwerfmentalität, insbesondere mit Blick auf Ressourcenverbrauch, Klimaneutralität und Transportwege oder prekäre Produktionsbedingungen. Dagegen mag man Konsum, der vor allem dem eigenen Geltungsbedürfnis und der sozialen Differenz dient, aber andere nicht weiter beeinträchtigt, zwar belächeln oder beneiden. Allerdings gehört das Bedürfnis nach sozialer Differenzierung durch Konsum und Besitz von Anbeginn zum Menschen („meine Schmuckfeder ist die schönste“). Manche meinen auch, sich durch Konsum Glück und Lebenssinn erkaufen zu können. Die Glücksforschung hat die begrenzte Glückswirkung des Konsums jenseits einer bestimmten Schwelle der Bedürfnisbefriedigung nachgewiesen. Konsumlust kann auch zur Falle werden. 

Bei aller moralischen Kritik sollten wir aber auch anerkennen, dass es ein Recht auf das Streben nach Glück gibt (steht ausdrücklich in der amerik. Unabhängigkeitserklärung), obwohl nicht alles, was Spaß macht, strengen moralischen Maßstäben standhält. Zeigt: An einer persönlichen Gewissensentscheidung führt kein Weg vorbei.

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