Unser SchnellSchuss

vom 10. Mai 2024

VerständnisProbleme: Sprache lebt und stirbt mit ihren Sprechern.

Alles was lebt, muss geboren worden sein und wird sterben. So kann „Leben“ definiert werden. Was für alle LebeWesen gilt, gilt auch für die Sprache, mit der sich dieselben unter einander verständigen, wenn auch nicht immer verstehen. Weil die Sprache der Lebenden eben selbst lebt, „lebendig“ ist, verändert sie sich. Das heisst: Sie wird verändert  – durch den Gebrauch derer, die sie verwenden. Einige ihrer BestandTeile, nicht selten die besten Stücke, landen auf dem Friedhof der Sprache, dem SchrottPlatz der Wörter. Dort finden sich beispielsweise der betuliche TanzTee oder auch der beschauliche Dämmerschoppen, die bequeme Recamière und das strengere Kanapee, auf dem man früher auch ein Kanapee anderer Bedeutung genüßlich verzehren konnte. Man findet vielleicht auch ein Grammophon und ein TransistorRadio, vielleicht sogar eine WurlitzerOrgel. Daneben liegen Textilien, die einst flotte Klamotten waren, mit denen man sich schön ausstaffierte, um auf der RückBank eines „Hobels“, der keinerlei Späne produzierte, à la mode Platz zu nehmen. Ach, es gibt so viele Ausdrücke, die außer Gebrauch gekommen sind und heute nur noch von den Älteren verstanden und von diesen auch kaum noch gebraucht werden.

Verständniswandel: Wer weiß, was ein Wort morgen bedeuten wird.

Manche  Wörter entziehen sich der linguistischen Entsorgung, in dem sie ihre Bedeutung wechseln. Das Beispiel aller Beispiele ist das kurze, aber überaus aussagekräftige Eigenschaftswort „geil“. Das hat ja eine aufregende Karriere hinter sich. Ursprünglich war es eher in der Dunkelzone geächteter Sexualität angesiedelt und erfreute dort und damit nicht zuletzt die neugierige Jugend. In manchen LandWirtschaften verspürten  aber nicht nur Heranwachsende gelegentlich geile Gefühle, auch der Kohl im Garten hinter dem SiedlungsHäuschen wuchs sich zur Geilheit aus. Und heute: Alles was noch toller ist als cool ist – einfach geil. Die AlltagsSprache ist voller sprachlicher SternSchnuppen: Sie ploppen auf und floppen wieder ins semantische Nichts. Wer glaubt, dass es sich dabei lediglich um die schlichte Sprache handelt, mit der Menschen alltäglich miteinander umgehen, der irrt. Auch die, wie auch immer „hohe“ Sprache ploppt und flopt. Sie ändert sich, ihren Gebrauch, ihre Bedeutung. Einst hieß „nachhaltig“: „langfristig wirksam“. Eine „nachhaltige Maßnahme“ war eine Aktivität mit langanhaltender Wirkung.  Und heute? „Nachhaltig“ ist, was für die Menschen gut, was moralisch hoch im Kurs und politisch erwünscht ist. Und was etwas mit unserem Wetter, Pardon „Klima“, zu tun hat. Ob wohl auch dieses, derzeit überaus lebendige Wort eines Tages auf dem Friedhof der verstorbenen Wörter landet?