Unser SchnellSchuss

vom 02.11.2024

Geheimer Wunsch: Es ist schon schön, bedient zu werden.

Meine Frau und ich führen eine perfekte Ehe. Seit vielen Jahren ergänzen wir uns vorbildhaft: Sie geht gerne aus, vornehmlich in Lokale, die sich allgemeiner Aufmerksamkeit erfreuen, ich bleibe gerne in unserem gemütlichen Heim, wo ich der allgemeinen Aufmerksamkeit nachhaltig entgehen kann. Perfekte Ergänzung, die mir intensiven Kontakt mit der Öffentlichkeit sichert und uns – und auch mir – Annehmlichkeiten aller Art beschert: beispielsweise aufmerksam bedient zu werden. Das muss, wer zu Hause bleibt, selbst besorgen. Funktioniert, aber ist gelegentlich beschwerlich. Letzte Woche hatten wir Pech. Wir kamen erwartungsfroh in unserm LieblingsRestaurant an und trafen unerwartet  unseren freundlichen Wirt vor einem Plakat mit unerfreulichem Inhalt: „Liebe StammGästInnen, wir haben nur noch drei Tage in der Woche geöffnet, heute ganztägig nicht: BedienungsMangel!“. Ja, so ist das in unserer BildungsGesellschaft: Wer will nicht gerne bedient werden, und sei es in einem überfüllten TuriHotel an einer wohlfeilen GoldKüste. Aber bedienen? Wir sind doch – ich bitte Sie – keine Dienstboten, Untertanen, Sklaven. Außerdem haben wir studiert – Soziologie und dann noch etwas mit Medien. Da kann man von uns doch nicht solch diskriminierende DienstLeistungen erwarten. Oder?

Offenkundiges Dilemma: Wer will schon andere bedienen?

Da hat uns die aufgeregte BildungsReform und der ungerührt vor sich hinwachsende WohlStand der letzten fünfzig Jahre wohl einen Streich gespielt. Wir haben uns daran gewöhnt, dass unsere Wünsche rasch und nachhaltig erfüllt werden, ohne dass wir uns so den Rücken krümmen müssen wie die Generationen vor uns. Wir haben uns daran gewöhnt, dass unsere Wünsche prompt und ohne Abzug erfüllt werden. Wenn’s ein bisschen klemmte, blieben ja noch die Drohungen mit sozialen Kämpfe der weicheren oder härteren Art.  Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der Wunsch nach Bedienung der einen zur Pflicht der Bedienung durch andere wird. Es droht also wieder die „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ – mindestens. Es sei denn…uns kommen die TechnologInnen zu Hilfe und erfinden Sachen aller Art, die etwas können, wozu bis dato nur LebeWesen vom Typ Mensch in der Lage waren, zum Beispiel: „zu bedienen“.  Diesen „funktionalen Transfer“ nannte man bis vor wenigen Jahren Automatisierung, dann Digitalisierung und nun – sie haben es erraten –  „KI“. Ich war jüngst zum AbendEssen in eine schicke neue EssStation eingeladen. Wir warteten geduldig auf unser, vorab über App bestelltes FrugalMenü. Da rollte unerwartet ein weiß lackierter Mülleimer heran, verdrehte seine KugelAugen aus KunstStoff auf dem Deckel und verkündete in lupenreinem HöchstDeutsch: „Euer Essen, lieber Tisch 34. Guten Appetit!“  Eine Luke öffnete sich und unser Menü wurde behutsam auf unseren Tisch geschoben. Rundum essfertig und ohne etwas zu verschütten. Wir waren völlig bedient! Geht doch.